Große ERP-Projekte jetzt auf Distanz wagen und managen

Große ERP-Projekte jetzt auf Distanz wagen und managen

Seit März 2020 heißt es für Projektmanager: Abstand halten. Wie können große IT-Projekte wie die Umstellung des zentralen SAP®-Systems auf SAP S/4HANA® da zum Erfolg geführt werden?

 
 

Ein Projektmanager muss „eng dran sein“ am Projektgeschehen. Gerade bei großen IT-Vorhaben mit viel, äußerst teurem Personal ist dieses wichtig – die Medienberichte über gescheiterte Großprojekte sind hinlänglich bekannt.

Doch seit März 2020 heißt es für Projektmanager: Abstand halten. Der Alltag im Home-Office wird dominiert von Videokonferenzen, Chat-Anfragen, Messenger-Nachrichten, Handy-Anrufen. Gängige Maßnahmen wie Großraumbüros für Task Forces sind genauso undenkbar geworden, wie Reisen, um globale Rollouts vor Ort sicherzustellen. Heute sowieso nicht – und auch bei formal wieder geöffneten Grenzen werden Reiserichtlinien und -budgets hier zukünftig strikte Grenzen setzen: „Ging doch zu Corona-Zeiten auch per Videokonferenz!“.

Digitales Vorausdenken ist seit COVID-19 nicht mehr optional

Spontan mag man denken: „Vielleicht ganz gut, dass SAP bereits vor Corona angekündigt hatte, dass der ECC-Support auch nach 2025 weiter aufrechterhalten werden wird.“ Andererseits: Ist die Unternehmens-IT nicht gerade deshalb weiterhin gefühlt total ausgelastet, weil die Rufe nach sofort benötigter Digitalisierung aus allen Ecken kommen? Anforderungen DigitalisierungHat nicht spätestens der Lockdown deutlich gemacht, wie sehr der Erfolg eines Unternehmens davon abhängen kann, wie innovativ es digital aufgestellt ist?

SAP wird die digitale Innovation seines ERP-Systems – modernisierte User Experience, intelligente Prozesse, weitere Cloud-Innovationen, … – vor allem im Kontext von SAP S/4HANA®-Software vorantreiben. Kurz gesagt: Wer hier weitere Digitalisierung wünscht, wird SAP S/4HANA einführen müssen.

Unsere Empfehlung: SAP S/4HANA®-Umstellung jetzt initiieren

Insofern, mal provokant gefragt: Wie viel besser soll der Moment, den Umstieg in Angriff zu nehmen, eigentlich noch werden?

1. Interne Spezialisten-Kapazitäten verfügbar

Der COVID-19-bedingte Nachfrageeinbruch sorgt für eine verhältnismäßig geringe Auslastung vieler Unternehmen in den nächsten 6-18 Monaten (siehe IWF). Wenn man die hierdurch freie Mitarbeiterkapazität nun nicht vollständig in Kurzarbeit schickt, sondern für die SAP S/4HANA-Einführung nutzt, lässt sich eine der kritischsten Herausforderungen aller Einführungen von SAP®-Lösungen – fehlende, hochqualifizierte Business-Kapazität für Konzeption und Test der neuen Prozesse – so einfach lösen wie selten in den vergangenen Jahren.

2. Zunehmend freie Beraterkapazitäten am Markt

Nach unserer eigenen Erfahrung laufen die meisten der gestarteten SAP S/4HANA-Projekte derzeit zwar weiter, viele Unternehmen zögern aber, neue Projekte oder auch nur neue Phasen zu starten. Dieses deckt sich auch mit Erfahrungen anderer (siehe auch IT-Onlinemagazin). Zumindest kurzfristig könnten daher die Tagessätze der entsprechenden Berater – oft der größte Kostenblock – deutlich stärker unter Druck geraten als es die Aussicht auf die vielen, anstehenden SAP S/4HANA-Umstellungen noch vor wenigen Wochen vermuten ließ. Die absehbare Reduzierung der Reisekosten ist ein kleiner, weiterer Bonus.

3. Tagessätze werden wieder anziehen

Im Umkehrschluss: Sollten wirtschaftliche Nachfrage und Investitionsbereitschaft wieder anziehen, wird der Druck überall schnell steigen, den Investitionsstau zu beheben und für die bessere Unternehmenssteuerung auch die ERP-Systeme endlich „auf die Höhe der Zeit zu heben“ – mit entsprechenden Effekten auf die Tagessätze.

4. Abwarten hat negative Folgeeffekte

In 2019 wurde häufig abgewartet – „lass die Berater erstmal die notwendige Erfahrung mit SAP S/4HANA sammeln“. Der unter 2. beschriebene Effekt wird eine entsprechende „Abwartezeit“ eher verlängern. Die möglichen Folgeeffekte: Zum einen wird das zukünftige Umstellungsprojekt signifikant größer, komplexer und damit teurer, zum anderen bleiben die Möglichkeiten, das Geschäft mit digitaler Innovation effizienter zu steuern und zu treiben, länger begrenzt.

Kurzum: Es gibt für viele zukunftsorientierte Unternehmen eigentlich keinen besseren und günstigeren Zeitpunkt, den Umstieg auf SAP S/4HANA anzugehen – wenn da nicht die eingangs beschriebenen Bedenken wären, dass die klassischen Methoden des Managements solcher Großprojekte aktuell nicht durchführbar sind.

SAP®-Projekte in virtueller Umgebung durchführen

Wir haben es in der Vergangenheit selbst erlebt, wie schwer sich manches Unternehmen alleine mit Offshore-Entwicklungen im Rahmen von großen SAP®-Projekten getan hat – bis hin dazu, dass man die entsprechenden Entwickler irgendwann in die Projekträume hat einfliegen lassen. Es gibt hier jedoch zwei wesentliche Unterschiede zur jetzigen Situation: (1) Die Offshore-Tätigkeit umfasst meist nur einen Teil des Projekts, während andere Teile des Teams sich weiter im gemeinsamen Büro austauschen, und (2) Projektarbeit ohne physische Treffen war bisher für viele Mitarbeiter eher ungewohnt oder wurde als nicht effizient erachtet.

Wenn ein Großteil der Projektmitarbeiter „remote“ arbeitet und diese Arbeitsweise anerkannt ist, dann lassen sich nach unserer Erfahrung auch große SAP-Projekte sehr gut „virtuell“ durchführen.

So haben wir bei Basycon beispielsweise die Arbeit in einem SAP-Projekt eines sehr großen Klienten in den letzten Jahren nahezu vollständig in den virtuellen Raum verlegt. Zu Beginn gab es noch jede zweite Woche on-site Termine. Später sind wir dazu übergegangen, die gesamte Zeit zwischen Präsenz-Kickoff und einem Präsenztraining kurz vor Go-Live ausschließlich virtuell zusammenzuarbeiten. Inzwischen finden auch bei globalen Rollouts Kickoffs und Trainings per Videokonferenz statt – und es gelingt uns trotzdem, die für die Projektarbeit benötigte, persönliche Beziehung und das entsprechende Vertrauen über Grenzen und Kulturen hinweg aufzubauen.

Vertrauen & klare Strukturen ermöglichen erfolgreiche, virtuelle Projekte

„Chat ist [bei uns] wie Kaffeepause. Wenn die Kamera für ein Meeting angeht, quatschen wir gerne erstmal kurz übers Wetter bevor wir zu den eigentlichen Inhalten kommen“, sagte neulich ein Kollege. Raum für diesen persönlichen Austausch – wie er im Projektbüro auch stattfinden würde – baut die Brücke, um in fachliche Diskussionen vertieft einsteigen zu können. Sich als Projektmanager für die fachliche Diskussion Zeit zu nehmen und vor der Kamera dem Gegenüber bewusst zu machen, dass man sich ernsthaft mit den gemeinsamen Herausforderungen auseinandersetzt, macht virtuell glaubhaft und führt zu gemeinsamer Zielstrebigkeit.

Die Gefahr komplett in der durch den weltweiten Lockdown befeuerten Kreativität virtueller Kommunikation unterzugehen, wird durch eine klare Etikette, welches Medium für welchen Zweck genutzt wird und einen Plan, der bestimmte Zeiten für bestimmte Zwecke reserviert, gebannt.

Das kann sehr unterschiedlich aussehen: Mal ist eine kurze, tägliche Morgenrunde sinnvoll, mal wöchentliche Status-Meetings, andere kommen weitgehend ohne Regeltermine mit „kurzen Dienstwegen über den Chat“ aus. Tool-MatrixWichtig ist in allen Fällen, klar zu definieren, wer wann zu reagieren und sich wie einzubringen hat – dass zum Beispiel eine Kurznachricht eben keiner sofortigen Antwort bedarf. Trotz aller Informalität von Chats und Videokonferenzen ist folglich ein sauberes Aufsetzen der formalen Rahmenbedingungen (einschließlich Vorgaben zu Collaboration-Tools, Projektplänen, offene-Punkte-Listen, … ) auch bei virtuellen Projekten unabdingbar.

Fazit: Stellt man formelles wie informelles sicher und lässt sich auf virtuelle Zusammenarbeit ein, dann ist physische Distanz heute kein Projektrisiko mehr. Das Etablieren dieser virtuellen Kommunikationskultur gehört ab sofort zu den Aufgaben eines jeden Projektleiters.

Bewerten Sie Ihre Kraft und entscheiden Sie jetzt

Der „Corona-Winter“ hat viele von uns unerwartet getroffen. Er hat uns Bedeutung rechtzeitiger Informationen und digitaler Aufstellung vor Augen geführt und gezeigt, wie wichtig es sein kann, richtige, weitreichende Entscheidungen unverzüglich zu treffen (siehe M. Rosemann). Wie lange die hier aufgezeigte Gelegenheit tatsächlich existieren wird, kann niemand voraussagen. Was wir wissen, ist, dass sich SAP®-Projekte mit gutem Projektmanagement auch in virtueller Zusammenarbeit erfolgreich durchführen lassen.

Unternehmen mit stark saisonalem Geschäft nutzen den Winter meist weniger zum Winterschlaf, sondern viel mehr für Investitionen in Vorbereitung auf den kommenden Sommer. Daher unsere Empfehlung: Prüfen Sie trotz aller Sparmaßnahmen jetzt (noch einmal), ob ein zügiger Start der SAP S/4HANA-Umstellung in Ihrem Haus in der aktuellen Situation sinnvoll sein könnte!

Wenn Sie hierbei Hilfe oder eine wirklich neutrale Einschätzung benötigen, sprechen Sie uns gerne an.

Über den Autor Dr. Florian Gottschalk

Dr. Florian Gottschalk unterstützt für Basycon seit über 10 Jahren große Unternehmen und Konzerne bei der strategischen Vorbereitung von ERP-Programmen und hilft, deren Umsetzung zu managen. Er hat im Bereich Business Process Management promoviert und ist als PMP® zertifiziert.

„SAP“ und „SAP S/4HANA“ sind eingetragene Marken der SAP SE.
„PMP“ ist eine eingetragene Marke des Project Management Institute, Inc.

 

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